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Corona-Lockdown in Shanghai – Rückblick einer deutsch-chinesischen Studentin

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Von China-Wiki-Autorin Victoria Walter. Weltweit sind die Einschränkungen und Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus mittlerweile teilweise oder ganz aufgehoben. Auch in China sah es lange danach aus, als würde die Null-Covid-Politik Früchte tragen. Zu Beginn des Jahres 2022 kam es dort jedoch zu einer Kehrtwende. Corona-Lockdown in Shanghai – Rückblick einer deutsch-chinesischen Studentin.

Wie kam es zum harten Corona-Lockdown in Shanghai? Die Corona-Fallzahlen stiegen in einigen Teilen Chinas Anfang 2022 rapide an und erreichten einen Höchststand seit Beginn der Pandemie. Besonders stark betroffen war die Metropole Shanghai mit ihren über 23 Millionen Einwohnern. Bereits Ende März wurde ein harter Lockdown eingeläutet. Für mehr als zwei Monate standen strikte Ausgangssperren und Massentests an der Tagesordnung.

Corona-Lockdown in Shanghai – ein persönlicher Rückblick

Ketty Zheng ist eine deutsch-chinesische Studentin aus Köln. Sie berichtete China-Wiki bereits im November 2021 vom Start ihres Auslandsjahrs in Shanghai. Sie erzählte dabei auch von den Auswirkungen der Coronapandemie auf das Auslandsstudium vor Ort. Mittlerweile ist sie fast am Ende ihres Aufenthaltes in China angekommen und wir haben erneut mit Ketty gesprochen. Interessant war dabei Kettys Rückblick auf den strengen Corona-Lockdown in Shanghai und die damit verbundenen privaten und gesellschaftlichen Veränderungen und Einschränkungen.

Einläuten des Lockdowns und anfänglicher Optimismus

Zu Beginn des Lockdowns wurde den Bewohnern von Shanghai laut Ketty mitgeteilt, dass es einen aufgeteilten Lockdown geben würde. Es sollte zunächst die eine Seite des Huangpu Rivers, welche die Stadt in zwei Teile unterteilt, abgeschirmt werden und im Anschluss die andere. Dies bewahrheitete sich laut Ketty nicht. Pudong und Puxi wurden schon im Fünf-Tages-Abstand nacheinander isoliert. Ursprünglich bestand die Annahme, dass wenn der eine Teil der Stadt in den Lockdown geht, der andere nach fünf Tagen wieder frei sei. Die Kölner Studentin erzählt, dass sie, wie viele andere auch, anfangs geglaubt hat, dass dieser nur ein paar Tage andauern würde. So wurde es wohl von der chinesischen Regierung kommuniziert. Deswegen kauften sie und ihre Freunde auch kurz vor Beginn des Lockdowns nicht viel Lebensmittel mehr ein als sonst auch.

Der anfängliche Optimismus verflog jedoch schnell, als ersichtlich wurde, dass die Einschränkungen anhalten würden. Der Alltag wurde für Ketty, die allein wohnt, schnell eintönig und einsam. Der Kontakt zu ihren Freunden in Shanghai brach immer mehr ab, da es „sehr viel Energie“ benötigte, diesen zu halten, obwohl man sich nicht sehen konnte, wie Ketty meint. Sie versuchte sich auf ihr Studium zu konzentrieren und so gut es geht Sport zu betreiben. „Dies ist in einer 30 Quadratmeter großen Wohnung jedoch nicht so einfach“, meint die Kölner Studentin.

Kritik an Lebensmittelversorgung und nachbarschaftliche Unterstützung

Normalerweise bestellt man in chinesischen Großstädten, wie Shanghai, fast nur noch über Apps seine Lebensmittel. Auch zu Beginn des Lockdowns war dies eingeschränkt möglich. Dabei musste die Bestellung zu einer bestimmten Uhrzeit innerhalb eines kurzen Zeitfensters getätigt werden, wie die Kölner Studentin sagt. Die Nachfrage überstieg das Angebot jedoch schnell massiv. Irgendwann erkannte die Regierung dann auch, dass bei dem weitläufigen Kontakt durch Lebensmittellieferungen die Ansteckung durch die Lieferanten zu groß sei. So wurde jeglicher Lieferservice gestoppt. Sogenannte Versorgungspakete wurden von Beginn des Lockdowns in willkürlichen Zeitabständen an die Bewohner verteilt.

Die Verteilung erfolgte dabei nicht täglich und von Distrikt zu Distrikt und von Straße zu Straße anders, wie Ketty erzählt. Die verhältnismäßig ärmeren Viertel in Shanghai, wie Yangpu, sollen dabei eine wesentlich schlechtere und kleinere Auswahl an Produkten erhalten haben als reichere Viertel, wie beispielsweise Jing’an. Dadurch ist es laut Ketty zu Neid innerhalb der Bevölkerung gekommen. Ketty nennt das Shampoo-Beispiel. So habe sie ein Produkt im Wert von ca. Zwei Euro bekommen, wohingegen ihre Freunde in wohlhabenderen Vierteln eins für sechs Euro erhielten. Auch wurde Ketty jedes Mal das gleiche Gemüse geliefert, was die Zeit in Isolation wohl auch nicht schneller hat vergehen lassen.

Corona-Lockdown in Shanghai – zwischen Strenge und Zusammenhalt

Bei Kettys Ein-Personen-Haushalt seien öfter Lebensmittel übrig geblieben, die sie dann an ihre Nachbarn verschenkt hat, die mit mehreren Personen zusammenwohnen. In größeren Familien konnte es laut Ketty schon mal knapper werden mit den Produkten. Dabei spricht sie von Druck und Existenznot unter den Bewohnern. Allerdings erwähnt sie, dass man sich unter Nachbarn oft geholfen hat. Sie nennt das chinesische Sprichwort „Yuan qin bu ru jin lin“ 远亲不如近邻 was so viel bedeutet wie: „Nachbarn sind sich teilweise näher als Verwandte“. „Irgendwie hatte jeder ein bisschen Verantwortungsgefühl und war bereit zu helfen“, meint Ketty.

Generell hat sie sich während der Isolation viel mit ihren Nachbarn über Gruppen bei WeChat ausgetauscht. Darin wurde sich auch über neue positive Fälle in der Gegend ausgetauscht. Dabei wurde irgendwann das Schaf-Emoji verwendet, da das Zeichen für Positiv-Sein sich mit dem chinesischen Schriftzeichen für Schaf reimt. Das von ihr erwähnte Gemeinschaftsgefühl hat sich ebenfalls daran gezeigt, dass Menschen aus ganz China während des Lockdowns nach Shanghai gereist sind, um dort bei der Zusammenstellung und Verteilung der Versorgungspakete, aber auch bei den Massentests zu helfen. Ketty spricht dabei von chinesischem „Patriotismus“.

Strenge Maßnahmen und gesellschaftliche Reaktionen

Im Gedächtnis geblieben ist der Kölner Studentin einer der Aufseher in ihrem Viertel, welcher die gesamte Lockdownzeit Tag und Nacht in einem Zelt am Eingang des Wohnviertels verbracht hat. Für das Testen der Bevölkerung gab es laut Ketty strenge Vorgaben. Täglich musste man mindestens einen Selbsttest durchführen. Die Tests wurden in 30er-Packs pro Person geliefert. Jeden Morgen gegen 06:30 Uhr musste das Testergebnis abfotografiert und in eine eingerichtete WeChat-Gruppe geschickt werden. Oder vor die Wohnungstüre gelegt werden, wo es dann von bestimmten Personen des Viertels abgeholt wurde.

Im Laufe der Zeit mussten die Tests mit Wohnungsnummer, sowie Datum und Uhrzeit versehen werden. Damit sollte verhindert werden, dass der gleiche Test mehrmals abfotografiert wird. Zudem wurden regelmäßig die Viertel „zusammengetrommelt“, um gebäudeweise die Bewohner mit einem vom Krankenhaus organisierten PCR-Test auf das Corona-Virus zu testen.

Großteil der Bewohner hielt sich an strenge Maßnahmen

Die Aufseher haben auch darauf geachtet, dass die Bewohner nicht die mit Fahrrädern und Kisten abgegrenzten Bereiche verließen. Ketty selbst habe nicht direkt mitbekommen, dass Einwohner Shanghais sich gegen Einschränkungen gewehrt haben. Laut Ketty wurden öffentliche Proteste gegen die von der Regierung beschlossenen Maßnahmen nicht in den lokalen Medien gezeigt, sondern gelangen hauptsächlich durch ausländische Quellen herein. Dass sich der Großteil der Bewohner an die strengen Maßnahmen gehalten hat, bekräftigt Ketty, indem sie von „leeren Straßen“ berichtet. Auch an einem Tag zum Ende des Lockdowns hin, an dem es den Bewohnern gestattet war, die Wohnung zu verlassen, hielten sich laut Ketty nur wenige Bewohner draußen auf. „Das hat mich fasziniert“, sagt die deutsch-chinesische Studentin, die es kaum erwarten konnte, sich draußen die Beine zu vertreten.

Menschen ließen aus Verzweiflung ihre Haustiere frei

Über die allgemeine gesellschaftliche Stimmung während des Lockdowns sagt Ketty, dass „du keine andere Wahl hattest, als das Ganze mitzumachen“. Einige Bewohner mit Haustieren, wie Hunden, waren so verzweifelt, dass sie ihre Tiere freiließen. Sie waren laut Ketty der Meinung, dass es ihnen in freier „Natur“ besser ergehen würde als in einer kleinen Wohnung. Zwischenzeitlich ging das Gerücht herum, dass auch Tiere den Virus verbreiten könnten, weswegen es verstärkt zu Gewalt oder sogar Tod von Tieren kam. Erst nachdem die chinesische Regierung offiziell verneint hatte, dass auch Tiere für die Verbreitung des Virus sorgen können, reduzierte sich dies wieder.

Studieren während des Lockdowns in Shanghai

Wie Ketty meint, war ihre Universität, die renommierte Fudan Universität, von Anfang an sehr streng. Schon ab Ende Februar 2022 durften die Studierenden die Gebäude nicht mehr betreten. Diejenigen, die in den Wohnheimen der Universität wohnten, war es nicht mehr gestattet, diese zu verlassen. Sie wurden fortan nur noch in den Mensen der Universität versorgt, wodurch sie viel Geld gespart haben, wie Ketty amüsiert anmerkt. Ketty und ihre Freunde hätten stets die Hoffnung gehabt, irgendwann doch noch einmal auf den Campus zu gehen. Die Kölner Studentin erzählt in dem Zusammenhang, dass sie noch Geld auf ihrer Mensakarte hatte, was jedoch nach ein paar Wochen Lockdown zurück überwiesen wurde.

Auslandsstudium Shanghai

Vom Kursraum ins Schlafzimmer – Studieren während des Lockdowns

Dennoch hatte der Lockdown keine negativen Auswirkungen auf das Studium selbst, wie Ketty erzählt. Die Professoren der Universität seien sehr bemüht gewesen, den Sprachunterricht ansprechend und erfolgreich weiterzuführen. Manche Kurse wurden aufgenommen, andere wiederum live übertragen. Auch Klausuren wurden online durchgeführt, indem die Studierenden via Kamera beweisen mussten, dass sie allein im Raum waren und keine unerlaubten Hilfsmittel nutzen.

Corona-Lockdown in Shanghai – Beendigung und Aussichten

Der Lockdown ist nun seit ca. einem Monat vorbei. Ende Mai wurden die Wohnviertel Shanghais nach Risiko eingestuft. Nach zwei Wochen ohne Coronafälle durften die Menschen wieder auf die Straße. Ketty war bis zum offiziellen Ende des Lockdowns am 01. Juni in ihrer Wohnung „gefangen“. Über den Tag der Freiheit berichtet die Kölner Studentin: „Ich wollte einfach nur raus, spazieren gehen und die Welt sehen“. Anfangs konnte nur Essen nach Hause bestellt werden oder „to-go“ gewählt werden. „Das war auch sehr lustig, weil du bist durch die Stadt gefahren und alle haben draußen gekniet und gegessen“ berichtet Ketty.

Manche Gastronomien ließen trotzdem heimlich Gäste rein, was zu vielen Polizeikontrollen führte, wie Ketty erzählt. Mittlerweile darf Essen auch wieder in Restaurants verzehrt werden. Shanghai hat eine eigene Corona-App, wie Ketty erzählt. Vor allen Gebäuden hängt ein QR-Code, der vor dem Betreten gescannt wird. So wird ersichtlich, dass ein aktueller negativer Test vorliegt, der nicht älter als 72 Stunden alt ist. Völlig „normal“ ist das Leben also auch weiterhin noch nicht.

Ein Blick in die Zukunft nach Corona

Auf die Frage, ob es in Shanghai in naher Zukunft wieder zu einem Lockdown kommen wird, antwortet Ketty optimistisch mit einem Nein. Sie meint, dass es nur dazu gekommen ist, weil anfangs nicht streng genug mit den steigenden Fällen umgegangen wurde. Die Chinesen würden laut Ketty aus ihren Fehlern lernen und beim nächsten Anstieg der Fallzahlen schneller handeln. Alles natürlich unter der Prämisse, dass sich nicht neue gefährlichere Virus-Varianten verbreiten. Dafür bleibt China auch weiterhin für Tourismus etc. dicht, wie Ketty meint.

Generell ist sich Ketty sicher, dass das gesellschaftliche Vertrauen in die chinesische Regierung durch den harten Lockdown zurückgegangen ist. Die Behandlung von infizierten Personen beispielsweise, egal ob mit oder ohne Symptomen, in sogenannten Quarantäne-Camps sei „unmenschlich und grotesk“ gewesen. Dies würden „illegal“ aufgenommene Videos von schreienden und hungrigen Menschen beweisen, erklärt Ketty.

Auslandsstudium mit Hürden und Abschiedsschmerz

Wie schaut man auf ein Studium mit Corona-Lockdown in Shanghai zurück? Kettys Auslandsjahr begann im August 2021. Sie hat innerhalb eines Jahres mehr als drei Monate harten Lockdown vor Ort erlebt. Es wäre offiziell im Juli dieses Jahres vorbei und sie würde gerne so schnell wie möglich wieder nach Deutschland kommen. Sie berichtet jedoch von Problemen bei der Visumserstellung für ihre Einreise.

Diese dauere an, da durch den harten Lockdown die Behörden in Shanghai Monate lang geschlossen waren und nun überlastet seien. Sobald Ketty wieder in Deutschland ist, plant sie ihr Studium zügig zu beenden. Durch ihre erfolgreiche Teilnahme an anspruchsvollen Mandarin-Kursen hat sie dabei einen entscheidenden Vorteil. Von der Fudan Universität wird sie sich jedoch wohl nicht mehr richtig verabschieden können.

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